Aktuelle Rechtsprechung

Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts kann beschränkt werden

Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann.

Das ist passiert:

Eine im Jahr 1925 geborene Frau lebt in einem Pflegeheim und leidet an einer organisch bedingten Persönlichkeitsstörung und einem beginnenden demenziellen Syndrom. Am 24.12.2011 erteilte die Betroffene ihrem Neffen und dessen Ehefrau eine Vorsorgevollmacht, die sich auf alle Angelegenheiten bezieht. Am 14.09. erteilte die Betroffene den beiden zudem eine Generalvollmacht.

Auf eine erste Anregung des Neffen und seiner Frau, eine Betreuung anzuordnen, lehnte das Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers im Hinblick auf die bestehenden Vollmachten ab.

Nachdem die Vorsorgebevollmächtigten im Dezember 2016 beim Amtsgericht einen „Antrag auf Überprüfung der Geschäfts- und Testierfähigkeit" der Betroffenen gestellt hatten, hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Anhörung der Betroffenen den Neffen und seine Frau zu Betreuern für den Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt und einen auf diesen Aufgabenkreis bezogenen Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sie sich mit der Rechtsbeschwerde.

Darum geht es:

Es geht um die Frage, unter welchen Umständen ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden kann. Zudem geht es um das Verhältnis zwischen dem Vorrang einer Vollmacht und der Bestellung eines Betreuers.

Die Entscheidung:

Die Rechtsbeschwerde der betroffenen Heimbewohnerin hat Erfolg. Das Beschwerdegericht muss erneut entscheiden.

Das Beschwerdegericht führte aus, dass sich aus dem Sachverständigengutachten vom 27.12.2016 ergebe, dass die Betroffene ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst besorgen könne. Die Betroffene verfüge über erhebliche Vermögenswerte mit einem Gesamtwert von ca. 1,7 Mio. €. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Betroffene neben mehreren Immobilien auch Konten und Wertpapiere fortlaufend zu verwalten habe. Auf Grund der Beeinträchtigungen ihres Gedächtnisses sei die Betroffene zu der hierfür erforderlichen Marktbeobachtung nicht mehr in der Lage. Hinzu komme, dass die Betroffene aufgrund ihres Aufenthalts in der Seniorenunterkunft und ihrer massiv eingeschränkten Mobilität zur Verwaltung ihrer Vermögenswerte nicht in der Lage sei. Deshalb bestehe für den Bereich der Vermögenssorge konkreter Betreuungsbedarf, weil ohne die Einrichtung einer Betreuung die mit der Verwaltung des Vermögens fortlaufend zu treffenden Entscheidungen nicht gewährleistet seien.

Die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts seien ebenfalls gegeben. Es bestehe die konkrete Gefahr, dass die Betroffene vor dem Hintergrund ihres Wunsches, in die eigene Wohnung zurückzukehren, unvernünftige und nicht nachvollziehbare Entscheidungen mit Vermögensbezug treffe. Nach Angaben der Vorsorgebevollmächtigten sei zudem eine Frau P. mit dem Wunsch an die Betroffene herangetreten, von ihr eine Eigentumswohnung zu erwerben. Krankheitsbedingt sei die Betroffene jedoch nicht in der Lage, das Geschehen rund um einen etwaigen Immobilienverkauf sachgerecht zu erfassen. Zudem stehe zu befürchten, dass die Betroffene, wenn auch nur unter Zuhilfenahme dritter Personen, Verfügungen über ihr Barvermögen treffe, ohne dass hierfür ein begründeter Anlass bestehe. Dies ergebe sich aus der Bekundung der Vorsorgebevollmächtigten, wonach die Betroffene den Wunsch geäußert habe, Geldbeträge in Höhe von 5.000 und 10.000 € in bar zu erhalten, um sich Bekleidung kaufen oder sonstige Annehmlichkeiten verschaffen zu können.

Da ein Einwilligungsvorbehalt erforderlich sei, dieser aber nicht losgelöst von einer Betreuung angeordnet werden könne, stünden die von der Betroffenen erteilten Vorsorgevollmachten der Anordnung einer Betreuung nicht entgegen. An der Eignung der Vorsorgebevollmächtigten als Betreuer bestünden keine Zweifel.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs haben diese Ausführungen keinen Bestand. Die Feststellungen des Beschwerdegerichts lassen nicht den Schluss zu, dass eine Betreuung trotz der zugunsten des Neffen und seiner Frau bestehenden Vorsorgevollmachten erforderlich ist. Genau dazu hätte das Beschwerdegericht aber Stellung nehmen müssen.

Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn die Betreuerbestellung erforderlich ist. Das ergibt sich aus § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB. An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Grundsätzlich steht eine Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers entgegen.

Anders kann es liegen, wenn

  • Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung bestehen,
  • trotz wirksam erteilter Vorsorgevollmacht eine Betreuung erforderlich ist, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen oder
  • wenn der Bevollmächtigte – etwa wegen unüberbrückbarer Differenzen zwischen ihm und dem Betroffenen – nicht in der Lage ist, zum Wohle des zu Vollmachtgebers zu handeln.

In diesem Fall ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Vorsorgevollmachten wegen fehlender Geschäftsfähigkeit der Betroffenen oder aus anderen Gründen unwirksam sind. Ebenso wenig kann der Schluss gezogen werden, dass der Neffe und seine Frau ungeeignet sind, die Vollmachten im Interesse und zum Wohl der Betroffenen auszuüben. Das Beschwerdegericht hat bei der Prüfung der Betreuerauswahl sogar ausgeführt, dass an der Redlichkeit und Eignung der beiden keine Zweifel bestünden.

Die Einrichtung einer Betreuung kann auch nicht damit begründet werden, dass diese als Voraussetzung für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts erforderlich ist (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2011, Az. XII ZB 118/11)

Das Betreuungsgericht kann einen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn das zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist (vgl. § 1903 Abs. 1 BGB). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Der Umfang der Ermittlungen ist erheblich, denn bei dem Einwilligungsvorbehalt handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen.

Eine Gefahr für die Finanzen des Betreuten kann sich auch daraus ergeben, dass er sein umfangreiches Vermögen nicht überblicken und verwalten kann. Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch bei einem größeren Vermögen nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.07.2015, Az. XII ZB 92/15).

Das sind die Maßstäbe, die der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung hat zu Grunde legen müssen. Danach tragen die bislang getroffenen Feststellungen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge nicht.

Soweit das Beschwerdegericht zur Begründung darauf abstellt, dass die Betroffene aufgrund ihres Wunsches, wieder in ihre frühere Wohnung zurückzukehren, unvernünftige und nicht nachvollziehbare Entscheidungen mit Vermögensbezug treffen könnte, rechtfertigt dies die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nicht. Denn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung von erheblicher Art hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt. Auch hat die Betroffene bisher keine Aktivitäten entfaltet, um eine ihrer Wohnungen zu verkaufen. Allein die Tatsache, dass sich eine frühere Bekannte der Betroffenen für den Erwerb einer der Wohnungen interessiert und hierzu mehrfach Kontakt zu der Betroffenen aufgenommen hat, begründet noch nicht die konkrete Gefahr, dass es tatsächlich zum Verkauf einer Wohnung kommt und die Betroffene sich hierdurch selbst schädigen würde.

Soweit das Beschwerdegericht schließlich darauf abstellt, es stehe zu befürchten, dass die Betroffene ohne begründeten Anlass Verfügungen über ihr Barvermögen treffe, trägt diese Erwägung ebenfalls nicht die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts. Auch insoweit fehlt es an den erforderlichen konkreten Feststellungen dafür, dass die Betroffene sich ohne Einwilligungsvorbehalt selbst schädigen könnte. Die Betroffene ist aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage, eigenständig das Pflegeheim zu verlassen. In der Vergangenheit hat die Betroffene stets nur von den beiden Vorsorgebevollmächtigten die Aushändigung von Bargeldbeträgen verlangt. Dass die Betroffene Kontakt zu anderen Person pflegt, die für sie Abhebungen und Überweisungen von ihren Konten vornehmen könnten, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.

Das bedeutet die Entscheidung für die Praxis:

Die Entscheidung des BGH zeigt deutlich, wie wichtig eine Vorsorgevollmacht ist. In diesem Fall hat die Betroffene alles Erdenkliche getan, um für den Fall, dass sie selbst es nicht mehr kann, Menschen ihres Vertrauens mit ihren Angelegenheiten zu beauftragen. Es muss nicht immer eine Generalvollmacht sein, aber eine Vorsorgevollmacht sollte jeder haben. Warten Sie nicht auf den Ernstfall!

Zudem berührt der Beschluss ein politisches Spannungsfeld, denn im Jahr 2009 hat die Bundesrepublik Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen ratifiziert. Spätestens seit diesem Zeitpunkt steht das Thema Selbstbestimmung der behinderten Menschen ganz weit oben auf der behindertenpolitischen Agenda. Gerade der Einwilligungsvorbehalt bietet Diskussionsstoff, denn er ist einer der folgenschwersten Eingriffe in die Selbstbestimmung des Menschen.

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